Folge 2: Weltrekordverbesserung

WELTREKORDVERBESSERUNG
Geschrieben von Bert Plomp

Mein Vater spielte früher im ersten Team von VELOX Fußball. Das ist schon eine Weile her, nämlich einige Jahre bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach. Eine schwere Knieverletzung beendete seine Fußballkarriere. Ein ähnliches Schicksal ereilte mich, als ich mir mit fünfundzwanzig Jahren mein linkes Knie schwer verdrehte. Trotz seines verletzten Knies blieb mein Vater immer sportlich aktiv. Er ermutigte seine Söhne von klein auf, an zahlreichen Sportarten teilzunehmen. Langstreckenlauf wurde schließlich die Lieblingssportart aller drei Jungen. Meine Schwester Saskia war etwas weniger sportlich, man könnte sagen unsportlich. Obwohl, sie hat ein paar Mal an der Avondvierdaagse (vier Abende marschieren) teilgenommen.

In unserer frühen Jugend haben Theo, Charles und ich eigentlich nicht viel miteinander gespielt. Zumindest nicht zu Hause. Jeder hatte seinen eigenen Freundeskreis, und wir hatten auch einige Jahre Altersunterschied. Wir spielten jedoch viel Straßenfußball und andere Spiele auf der Straße. Als wir Teenager waren und viele Wochenenden und Ferien auf dem Campingplatz in Doorn verbrachten, nahmen wir jeden Sonntagnachmittag im Sommer gemeinsam an der “Ronde van Het Grote Bos” teil. Das war ein Wettbewerbslauf über fünf Kilometer rund um den Campingplatz. Es kam häufig vor, dass wir als die ersten drei ins Ziel kamen und knapp unter 18 Minuten blieben. Um solche Zeiten zu erreichen, musste man wirklich alles geben. In jenen Tagen kam Theo in der Regel als Erster ins Ziel. Zu dieser Zeit spielte das Altersunterschied noch zu seinen Gunsten. Gelegentlich war ich jedoch der Schnellste. Dann war mein ältester Bruder für den Rest des Tages unausstehlich. Der Höhepunkt eines solchen Renntages war die Ehrung am Abend auf dem großen Platz des Campingplatzes. Sonntagabends, beim Tanzen, wurde der Gewinner bekannt gegeben und geehrt. Die ersten drei wurden auf die Ehrentribüne eingeladen. Vor einer begeisterten Menge erhielten sie eine Medaille. Sie konnten den Rest des Abends auf das warme Interesse vieler hübscher Mädchen aus dem Publikum zählen. Diese Aufmerksamkeit war für mich immer Anlass, auf jeden Fall nach der höchsten Auszeichnung zu greifen.

Dieses Bestreben führte mich einmal zu einem frechen Plan. Es war an einem Sonntagnachmittag, an dem meine beiden Brüder einmal nicht teilnehmen konnten. An diesem Nachmittag hatte ich nicht viel Lust, mich zu verausgaben. Aber ich wollte die Mädchen auch nicht enttäuschen. Deshalb entschied ich mich zu versuchen, einen ordentlichen Vorsprung auf dem ersten Teil der Strecke aufzubauen. Anschließend, außer Sichtweite der Konkurrenz, wollte ich über den Hintereingang auf den Campingplatz gelangen und einen Kilometer vor dem Ziel, über einen Seitenweg, die Strecke wieder aufnehmen. So konnte ich unbemerkt einen großen Teil abschneiden. Die ersten fünfhundert Meter, eine gerade Strecke entlang des Zauns des Campingplatzes, hörte ich keuchend in meinem Nacken. Ich musste also noch einen Gang zulegen. Der Gegner muss irgendwann gedacht haben: Das hält dieser Angeber niemals durch, lass ihn einfach gehen. Nach einer rechtwinkligen Kurve nach rechts folgte erneut eine halbe Kilometer geradeaus, entlang des Zauns. Am Ende folgte erneut eine scharfe Rechtskurve und kurz danach der beabsichtigte Hintereingang. Als ich die letzte Kurve nahm und schnell nach hinten schaute, sah ich, dass ich etwa hundert Meter vor dem Rest lag und unbemerkt auf den Campingplatz gehen konnte. Schnell zwängte ich mich durch das Drehkreuz und verschwand zwischen den Bäumen. An der Stelle, an der ich die Strecke verlassen hatte, musste der Rest des Teilnehmerfeldes noch ein paar Kilometer über einen Sandweg nach Doorn laufen, um dann über die ‘Alte Arnheim Straße’ die letzten zwei Kilometer zum Haupteingang von Het Grote Bos zurückzulegen.
Einmal auf dem Campingplatz konnte ich einen Gang zurückschalten und durchatmen. Ich lief weiter im Trab, diagonal über das Gelände, zum Seiteneingang. Von dort waren es noch zweihundert Meter bis zur Zufahrtsstraße zum Campingplatz und dann noch fünfhundert Meter bis zum Ziel. Weit vor dem Rest tauchte ich am Anfang ‘der Hydeparkallee’ auf. Das letzte Stück hatte begonnen. Ich konnte die Menge am Ziel schon jubeln hören und befand mich in einer gewissen Ekstase. Berauscht von dem aufregenden Gedanken, dass all diese bewundernden Mädchen bald um meinen Hals fliegen würden. Dass ich abends beim Tanzen auf dem großen Platz im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen würde. Als ich kurz auf meine Uhr schaute, wurde mir plötzlich klar, dass ich innerhalb von vierzehn Minuten ins Ziel kommen würde. Dann würde ich den inoffiziellen Weltrekord auf dieser Strecke deutlich verbessern. Da beschloss ich doch sicherheitshalber, die Strecke über einen Seitenweg zu verlassen. Ungesehen habe ich mich weit hinter der Ziellinie in mein Zelt zurückgezogen und mich den Rest des Tages nicht mehr blicken lassen. Schließlich wollte ich, wie viele andere Spitzensportler, nicht zu früh in meiner Laufkarriere den Höhepunkt erreichen.

WIRD FORTGESETZT

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